Ellenbogenkomplex




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Fakultät für Therapiewissenschaften, SRH Hochschule Heidelberg, 69123 Heidelberg, Deutschland

 



Zusammenfassung

Man könnte behaupten, dass die Untersuchung und die Interpretation der Ergebnisse im Bereich des Ellenbogens im Gegensatz zur Schulter oder zum Handgelenk nicht sonderlich kompliziert erscheinen – dass dem nicht so ist, zeigt sich täglich aufs Neue. Noch schwieriger scheint es, die zum Beschwerdebild beitragenden Faktoren zu erkennen und in die Therapie miteinzubeziehen. Dieses Kapitel soll diesen Prozess transparenter machen, um die wichtigsten Pathologien erkennen und behandeln zu können.


Man könnte behaupten, dass die Untersuchung und die Interpretation der Ergebnisse im Bereich des Ellenbogens im Gegensatz zur Schulter oder zum Handgelenk nicht sonderlich kompliziert erscheinen – dass dem nicht so ist, zeigt sich täglich aufs Neue. Noch schwieriger scheint es, die zum Beschwerdebild beitragenden Faktoren zu erkennen und in die Therapie miteinzubeziehen. Dieses Kapitel soll diesen Prozess transparenter machen, um die wichtigsten Pathologien erkennen und behandeln zu können.


5.1 Screeningfragen


Für die Anamnese ist es bei Beschwerden im Bereich des Ellenbogens hilfreich, nach Haltungen, Positionen, Aktivitäten oder Bewegungen zu fragen, die typischerweise den Ellenbogen belasten und somit die Beschwerden provozieren können. Mögliche Fragen sind in ▶ Übersicht 5.1 aufgelistet.


Übersicht 5.1 Screeningfragen in der Anamnese





  • Direktes Stützen auf den Ellenbogen?


  • Längere Ellenbogenbeugung, z. B. beim Telefonieren?


  • Tragen mit ausgestrecktem Arm oder mit gebeugtem Ellenbogen, z. B. ein Kind oder einen Einkaufskorb?


  • Schmerzen beim Bewegen nach längerer Ruheposition des Ellenbogens?


  • Stützaktivitäten wie z. B. beim Radfahren?


  • Gefühl der Instabilität bei aktiven Bewegungen?


  • Geräusche wie Klicken oder Schnappen?


  • Handaktivitäten, z. B. greifen oder Haushaltsarbeiten wie schneiden, rühren, auswringen usw.?


  • Tätigkeiten wie z. B. Tür aufschließen, schrauben, allgemein Drehbewegungen mit Kraft?


5.2 Ellenbogenspezifische Inspektion und Palpation



Inspektion


Auch bei Beschwerden im Ellenbogenbereich werden allgemein Haltung und Bewegung und speziell der Gebrauch des Arms beurteilt.


Wichtig

Bei der typischen Schonhaltung wird der Arm am Körper getragen und eventuell durch den gesunden Arm gestützt.

Bei der Ellenbogeninspektion werden die Punkte in ▶ Übersicht 5.2 beachtet; Auffälligkeiten werden notiert.


Übersicht 5.2 Inspektion des Ellenbogens





  • Schwellung


  • Hautveränderungen


  • Atrophien der Muskulatur im Unterarm- und Handbereich


  • Dreieck von Hüter


Schwellung






  • Eine Schwellung an der medialen Ellenbogenseite ist meist durch eine Kapsulitis bedingt.


  • Eine Schwellung an der lateralen Ellenbogenseite deutet ebenfalls auf einen artikulären Erguss hin; posttraumatisch kann es sich auch um eine Fraktur oder Kontusion des Caput radii handeln.


  • Eine Schwellung am dorsalen Ellenbogen wird in den meisten Fällen durch eine Bursitis olecrani verursacht.

Eine Palpation auf Schwellung und Temperatur kann bereits vor der Funktionsprüfung durchgeführt werden, um den Entzündungsgrad einschätzen und eine eventuelle Veränderung durch die Untersuchung feststellen zu können.


Vorsicht

Ist bei einer posttraumatischen Kapsulitis die Schwellung rasch und stark ausgeprägt, sollte die Pulsation am Handgelenk überprüft werden, da z. B. bei Frakturen, vor allem bei der suprakondylären Humerusfraktur die Gefahr der Arterienkompression und somit einer Volkmann-Kontraktur besteht.


Hautveränderungen


Hautveränderungen können auf rheumatische Erkrankungen wie Psoriasis hinweisen; auch Hautatrophien nach mehrfacher Kortisoninfiltration sind deutlich zu sehen.


Atrophien der Muskulatur im Unterarm- und Handbereich






  • Am Unterarm können die Hand- und Fingerextensoren und der M. brachioradialis (N. radialis) beurteilt werden.


  • An der Hand zeigen sich Atrophien wesentlich deutlicher: im Bereich des Hypothenars (N. ulnaris), der Ossa metacarpalia/Mm. interossei dorsales (N. ulnaris) und des Thenars (N. medianus).

Gibt es aufgrund der Anamnese einen begründeten Verdacht auf eine Beteiligung des Nervensystems, sollte in jedem Fall eine neurologische Untersuchung anschließen. Im Gegensatz zur Schulter sind Atrophien im Unterarm– oder Handbereich eher durch Lähmungen oder länger andauernde Inaktivität als durch einen Sehnenabriss verursacht.


Dreieck von Hüter


Um die Architektur des Ellenbogens zu beurteilen, bietet sich das Hüter-Dreieck an: von dorsal wird der Ellenbogen in 90° Flexion und in Extension begutachtet (s. ◘ Abb.​ 4.​2 in Kromer 2004):





  • In Flexion bilden die beiden Epikondylen und das Olekranon ein gleichseitiges Dreieck,


  • in Extension liegen alle 3 Punkte auf einer Linie.

Abweichungen können auf Luxationen oder (supra-)kondyläre Frakturen hinweisen.


Palpation


Palpiert werden der dorsale, laterale und mediale Ellenbogen, der M. biceps brachii und die Ellenbeuge:





  • Am dorsalen, lateralen und medialen Ellenbogen werden vor allem Schwellungen ertastet.


  • Rupturen der Bizepssehne werden durch eine palpierbare Deformität des Muskelbauchs deutlich.


  • Schwellungen oder eine Empfindlichkeit in der Ellenbeuge können auf eine Kapselverletzung z. B. durch Hyperextension hinweisen.


5.3 Ellenbogenspezifische Funktionsuntersuchung



5.3.1 Differenzierung zwischen Ellenbogen, HWS und neuralem System


Die Testbewegungen für die Differenzierung zwischen Ellenbogen, HWS und neuralem System folgen denselben Prinzipien wie bei der Schulteruntersuchung (▶ Abschn.​ 4.​3), lediglich die Art der Schmerzprovokation und die Gelenke, über die die neurale Spannung erhöht bzw. vermindert wird, sind verschieden.


Praktisches Vorgehen


Für die Schmerzprovokation bringt der Patient den Ellenbogen in eine für ihn schmerzhafte Position. Falls das Greifen mit der Hand die symptomauslösende Bewegung ist, kann er auch eine Faust machen, bis der erste Schmerz auftritt.


Differenzierung zwischen Ellenbogengelenk und HWS

Die HWS wird nun in gleichsinnige Extension-Seitneigung-Rotation (Spurling-Position) gebracht (◘ Abb.​ 4.​2b). Nehmen die Beschwerden zu, ist wahrscheinlich die HWS ursächlich.

Zur Gegenprobe finden die Bewegungen in umgekehrter Reihenfolge statt: zuerst HWS in Spurling-Position bringen, dann Ellenbogen positionieren/Faust machen, dann HWS in Nullstellung zurückführen. Eine eindeutige Bestätigung wäre es, wenn die isolierte HWS-Bewegung die typischen Beschwerden provoziert, was häufig auch der Fall ist.


Differenzierung zwischen Ellenbogen und neuralem System

Zusätzlich zur Ausgangsposition wird die Spannung im neuralen System über Skapuladepression oder HWS-Seitneigung zur nicht betroffenen Seite erhöht. Führt diese Bewegung zu einer Veränderung der Beschwerden, ist eine Beteiligung des neuralen Systems anzunehmen.

Zur Gegenprobe wird z. B. zuerst die HWS in kontralaterale Seitneigung gebracht, dann die Faust geballt, bis Schmerz auftritt, und dann die HWS in Nullstellung zurückgeführt. Verringern sich die Beschwerden bei der Rückbewegung der HWS, ist die Aussage bestätigt.


Vorsicht

Vor der neuralen Differenzierung sollte die HWS als symptomauslösende Struktur ausgeschlossen werden.

Erfahrungsgemäß kann man den Patienten auch aktiv in Positionen bewegen lassen, die den ULTTs entsprechen (▶ Abschn.​ 3.​4.​9, „Neurale Untersuchung mittels Spannungstests“), und dann über aktive Zusatzbewegungen der HWS die Spannung erhöhen bzw. vermindern. Dadurch wirken unterschiedliche Impulse auf das neurale System ein.


5.3.2 Basisfunktionsprüfung des Ellenbogenkomplexes


Die Funktionsprüfung des Ellenbogens beinhaltet





  • aktive Bewegungen,


  • passive Bewegungen,


  • Bewegungen gegen isometrischen Widerstand und


  • Stabilitätstests.

Alle Bewegungen werden im Rechts-Links-Vergleich durchgeführt. Zur Beurteilung kann man sich bei beidseitigen Beschwerden an den Normwerten orientieren; bei einseitigen Beschwerden ist der Seitenvergleich das Mittel der Wahl, da Normwerte je nach Alter, Geschlecht und Konstitutionstyp variieren.

◘ Tabelle 5.1 gibt einen Überblick, welche Bewegungen bei der Basisfunktionsprüfung des Ellenbogens getestet werden.



Tab. 5.1
Basisfunktionsprüfung des Ellenbogenkomplexes




























Bereich

Testbewegungen

Information/Aussage

4 aktive Bewegungen

– Aktive Flexion

– Aktive Extension

– Aktive Pronation

– Aktive Supination

– Aktives Bewegungsausmaß

– Einschränkung, Schmerz

– Koordination

– Bewegungsbereitschaft

4 passive Bewegungen

– Passive Flexion (4 Varianten)

– Passive Extension (2 Varianten)

– Passive Pronation

– Passive Supination

– Kapsel-Band-Apparat

– Gelenkflächen

– Passives Bewegungsausmaß

– Bewegungs- und Endgefühl

– Schmerz

6 isometrische Widerstandstests

– Isometrische Flexion

– Isometrische Extension

– Isometrische Pronation

– Isometrische Supination

– Isometrische Flexion Handgelenk

– Isometrische Extension Handgelenk

– Kraft, Schmerz

– Affektionen der Muskel-Sehnen-Strukturen

– Kompression der passiven Strukturen (Bursa, Nerven)

2 Stabilitätstests

– Passive Adduktion des Unterarms (Varus)

– Passive Abduktion des Unterarms (Valgus)

– Laterale und mediale Stabilität des Kapsel-Band-Apparats

– Schmerz


Aktive Bewegungen


Die 4 aktiven Bewegungen im Ellenbogengelenk sind





  • Flexion,


  • Extension,


  • Pronation und


  • Supination.

Die Bewegungen werden vom Therapeuten instruiert, oder der Therapeut macht dem Patienten die Bewegungen vor.


Passive Bewegungen


Der Therapeut führt die aktive Bewegung des Patienten passiv bis ans Bewegungsende weiter; danach wird passiv durch das gesamte Bewegungsausmaß bewegt.


Praktisches Vorgehen


Flexion (◘ Abb. 5.1a)



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Abb. 5.1a–d
Basisfunktionsprüfung des Ellenbogens: passive Bewegungstests. a Flexion, b Extension, c Pro- und d Supination des Unterarms

Der Therapeut stabilisiert über seinen distalen Oberarm den Ellenbogen des Patienten, die andere Hand bewegt den supinierten Unterarm in Flexion. Am Bewegungsende wird Überdruck gesetzt, um das Endgefühl zu beurteilen. Die Flexion kann zusätzlich in Varus- oder Valgusrichtung geführt werden, um unterschiedliche Anteile des Gelenks zu betonen. Weiter kann die Flexion mit Pronation im Unterarm kombiniert werden, wodurch es zu einer vermehrten Kompression zwischen Radius und Humerus kommt. Insgesamt gibt es also 4 Möglichkeiten der Ellenbogenflexion.


Extension (◘ Abb. 5.1b)

Für die Ellenbogenextension werden in jedem Fall zwei Testvarianten angewendet:



1.

Der Therapeut bewegt den Ellenbogen in Extension und gibt am Bewegungsende Überdruck; dabei stabilisiert er den Oberarm des Patienten über die dorsale Ellenbogenseite (◘ Abb. 5.1b).

 

2.

Der Therapeut bringt den Ellenbogen über eine kurze, schnelle Bewegung in Extension. Das entstehende Endgefühl lässt sich eindeutiger bewerten als bei Variante 1.

 


Pro- und Supination des Unterarms (◘ Abb. 5.1c, d)

Die passive Pro- und Supination werden in 90 Flexion getestet. Der Therapeut stabilisiert den Ellenbogen des Patienten und rotiert den Unterarm in Pro- bzw. Supination. Falls möglich, gibt er am Ende der Bewegung einen leichten Überdruck.


Wichtig

Beurteilt werden:





  • Bewegungsausmaß,


  • Veränderungen im passiven Bewegungsablauf bis hin zum Endgefühl und


  • Auftreten von (typischen) Schmerzen.


Isometrische Widerstandstests


Für den Ellenbogenkomplex werden nacheinander folgende Bewegungen gegen Widerstand getestet:





  • Ellenbogenflexion und -extension,


  • Pro- und Supination im Unterarm sowie


  • Handgelenkflexion und -extension.

Alle Tests werden im Seitenvergleich durchgeführt.


Wichtig

Beurteilungskriterien sind





  • Kraft und


  • Schmerz.


Praktisches Vorgehen


Flexion (◘ Abb. 5.2a)



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Abb. 5.2a–f
Basisfunktionsprüfung des Ellenbogens: isometrische Widerstandstests. a Flexion, b Extension, c Supination, d Pronation, e Extension des Handgelenks, f Flexion des Handgelenks

In 90° Ellenbogenflexion und Unterarmsupination gibt der Therapeut Widerstand gegen die Ellenbogenflexion. Handgelenk und Finger müssen entspannt sein, um keinen falsch-positiven Test zu erhalten.

Getestet werden:





  • M. biceps brachii,


  • M. brachialis,


  • M. brachioradialis und


  • N. musculocutaneus (Kompression).


Extension (◘ Abb. 5.2b)

Ausgangsstellung wie bei der Flexion; das Handgelenk muss entspannt sein. Der Therapeut gibt Widerstand gegen die Ellenbogenextension.

Getestet werden:





  • M. triceps brachii,


  • M. anconeus und


  • N. radialis (Kompression).


Supination (◘ Abb. 5.2c)

Der Unterarm befindet sich in Mittelstellung zwischen Pro- und Supination. Ein Handballen des Therapeuten liegt auf der Dorsalseite des Radius, der andere auf der Palmarseite der Ulna; so kann kontrollierter isometrischer Widerstand gegeben werden.

Getestet werden:





  • M. biceps brachii,


  • M. supinator und


  • N. radialis (Kompression).


Pronation (◘ Abb. 5.2d)

Ausgangsstellung wie bei der Supination. Ein Handballen des Therapeuten liegt auf der Dorsalseite der Ulna, der andere auf der Dorsalseite des Radius.

Getestet werden:





  • M. pronator teres,


  • M. pronator quadratus und


  • N. medianus (Kompression).


Extension des Handgelenks (◘ Abb. 5.2e)

Das Widerlager wird palmar auf den Unteram gesetzt und Widerstand von der anderen Hand auf den Handrücken des Patienten gegeben. Um die Fingerextensoren auszuschließen, kann der Patient zusätzlich eine Faust machen.

Getestet werden:





  • M. extensor carpi radialis longus(ECRL),


  • M. extensor carpi radialis brevis (ECRB),


  • M. extensor digitorum communis (EDC),


  • M extensor carpi ulnaris (ECU) und


  • N. radialis (versorgt die Extensoren).


Flexion des Handgelenks (◘ Abb. 5.2f)

Der Ellenbogen ist in voller Extension und wird vom Therapeuten in dieser Position fixiert. Eine Hand des Therapeuten bildet das Widerlager auf dem distalen dorsalen Unterarm, die andere Hand gibt in der Handinnenfläche Widerstand gegen die Flexion. Um die Fingerflexoren auszuschließen, können die Finger gestreckt werden.

Getestet werden:





  • M. flexor carpi ulnaris (FCU),


  • M. flexor carpi radialis (FCR) und


  • M. palmaris longus (PL).


Stabilitätstests


Bei der Basisfunktionsprüfung wird außerdem die laterale und mediale Stabilität des Ellenbogens, d. h. der laterale bzw. mediale Bandapparat getestet. Die Bewegungen werden passiv ausgeführt.


Praktisches Vorgehen

Da die Varus- bzw. Valgusbewegung gering ist, können beide Bewegungen zusammen ausgeführt werden: Der Ellenbogen wird aus Varus- in Valgusstellung und wieder zurück bewegt. Neben der Stabilität gibt der Test einen Eindruck über die Gesamtbeweglichkeit in der Frontalebene.


Passive Adduktion des Unterarms (Varus) (◘ Abb. 5.3a)



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Abb. 5.3a,
b Basisfunktionsprüfung des Ellenbogens: Stabilitätstests. a Passive Adduktion des Unterarms (Varus), b passive Abduktion des Unterarms (Valgus)

Der Unterarm befindet sich in Supination, der Ellenbogen ca. zwischen 5–30 Flexion. Eine Hand des Therapeuten umfasst die Kondylen und bewegt den Ellenbogen in Varusstellung; der Unterarm wird distal fixiert. Dadurch kommt es zu einer Dehnung der lateralen Strukturen und einer Kompression im Humeroulnargelenk.


Passive Abduktion des Unterarms (Valgus) (◘ Abb. 5.3b)

Der Ellenbogen wird passiv in Valgusstellung gebracht. Es kommt zu einer Dehnung der medialen Strukturen und einer Kompression im Humeroradialgelenk.


Erweiterte Basisfunktionsprüfung des Ellenbogenkomplexes


Die Basisfunktionsprüfung des Ellenbogens wird dann erweitert, wenn man erwartet, über zusätzliche Tests weitere aussagekräftige Informationen generieren zu können. Je nach Befund werden benachbarte Bereiche und der Einfluss der HWS oder des neuralen Systems überprüft. In ◘ Tab. 5.2 sind die zusätzlichen Testbereiche und -bewegungen aufgeführt.



Tab. 5.2
Erweiterte Basisfunktionsprüfung des Ellenbogenkomplexes






























Bereich/Testart

Testbewegungen

Information/Aussage

HWS

– SN li/ROT re/EXT

– SN li/ROT li/EXT

– SN re/ROT li/EXT

– SN re/ROT re/EXT

– Vermehrte Gelenkprovokation

– Vermehrte Provokation der Nervenwurzeln

Schultergelenk

– Passive Außenrotation

– Passive Innenrotation

– Passive Abduktion Quadrant

– Locking

– Schulterbeteiligung

– Übertragener Schmerz ausgehend von der Schulter

Neurologische Untersuchung

– Sensibilität, Kraft, Reflexe

– Zentralneurologische Tests

– PNS

– ZNS

Nervale Strukturen

– Neurale Spannungstests der oberen Extremität (ULTT 1, 2a, 2b, 3)

– Reproduktion der typischen Symptome

– Beteiligung des neuralen Systems

– Gleit-/Spannungsproblematik

(Beschreibung: HWS ▶ Abschn.​ 4.​3.​1; Schultergelenk ▶ Abschn.​ 4.​3.​1; neurologische Untersuchung ▶ Abschn.​ 3.​4.​9; Spannungstests für die obere Extremität ▶ Abschn.​ 3.​4.​9)


Translatorische Untersuchung des Ellenbogens


Im Anschluss an die Basisfunktionsprüfung können bei Bedarf translatorische Gelenktests durchgeführt werden (◘ Tab. 5.3).



Tab. 5.3
Translatorische Zusatzuntersuchung für den Ellenbogenkomplex






















Bereich

Testbewegungen

Information/Aussage

Humeroulnargelenk

Traktion in Ruhestellung

– Gelenkspiel/Bewegungsausmaß

– (Bewegungs-)Widerstand

– (Typische) Schmerzhaftigkeit

Humeroradialgelenk

– Traktion in Ruhestellung

– Ventral-/Dorsalgleiten in Ruhestellung

Proximales Radioulnargelenk

Gleiten nach ventromedial und dorsolateral in Ruhestellung


Praktisches Vorgehen

Die translatorischen Gelenktests werden in Ruhestellung des jeweiligen Gelenkteils durchgeführt. Als Ausgangsstellung kann Rückenlage oder Sitz gewählt werden.


Wichtig

Beurteilt werden im Seitenvergleich:





  • Gelenkspiel,


  • Bewegungswiderstand und


  • Schmerz.


Traktion im Humeroulnargelenk (◘ Abb. 5.4a)



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Abb. 5.4a–d
Erweiterte Basisfunktionsprüfung des Ellenbogenkomplexes: translatorische Untersuchung des Ellenbogens. a Traktion im Humeroulnargelenk, b Traktion im Humeroradialgelenk, c Dorsal- und Ventralgleiten des Caput radii gegenüber dem Capitulum humeri, d Gleiten nach ventromedial und dorsolateral des Caput radii gegenüber der Incisura radii ulnae (PRUG)

Aufgrund seiner Form kann das Humeroulnargelenk nur in eine Richtung in Traktion bewegt werden, auch wenn dies nur für einen Teil der Gelenkflächen gilt.

Der Patient liegt in Rückenlage; der Oberarm liegt auf der Bank auf und kann mit einem Sandsack unterlagert werden; zusätzlich kann er mit der Hand des Therapeuten fixiert werden. Der distale Unterarm liegt auf der Schulter des Therapeuten. Von ulnar kommend greift der Therapeut den Unterarm so weit wie möglich proximal und führt die Traktion aus.


Traktion im Humeroradialgelenk (◘ Abb. 5.4b)

Die Traktion im HRG kann in Extension/Supination (Ruhestellung) oder in leichter Ellenbogenbeugung ausgeführt werden.

Der Patient liegt in Rückenlage; der distale Oberarm ist auf einem Sandsack gelagert. Der Therapeut sitzt auf der Bank; mit der einen Hand greift er den distalen Radius des Patienten, mit der anderen Hand fixiert er den distalen Oberarm. Über eine Rumpfdrehung führt er dann die Traktion aus.


Dorsal- und Ventralgleiten des Caput radii gegenüber dem Capitulum humeri (◘ Abb. 5.4c)

Der Arm des Patienten wird in Ruhestellung gelagert. Von lateral greift der Therapeut mit Daumen und Zeigefinger das Caput radii, von medial fixiert er den Oberarm und somit das Capitulum humeri. Nun bewegt er den Radiuskopf nach ventral, etwas nach medial bzw. nach dorsal und etwas nach lateral. Durch die leicht diagonale Bewegung wird eine Hemmung der Bewegung durch die Incisura radii ulnae verhindert.


Gleiten nach ventromedial und dorsolateral des Caput radii gegenüber der Incisura radii ulnae (PRUG) (◘ Abb. 5.4d)

Der Unterarm des Patienten wird in Ruhestellung auf der Bank gelagert. Die Schulter wird in ca. 60° Abduktion positioniert, wodurch der Gelenkspalt parallel zur Unterlage liegt. Die Ulna kann entweder auf einem Sandsack oder mit einer Hand des Therapeuten fixiert werden, die andere Hand greift um das Caput ulnae und bewegt dieses parallel zur Unterlage (zum Gelenkspalt) nach ventromedial und dorsolateral.


Segmentale Bewegungen der HWS und oberen BWS

Je nach Befund bleibt eine translatorische Bewegungsprüfung der HWS und BWS optional (siehe auch Techniken in ▶ Abschn.​ 4.​3.​6).

◘ Tabelle 5.3 gibt einen Überblick, welche Bewegungen bei der translatorischen Zusatzuntersuchung für den Ellenbogenkomplex getestet werden.


5.3.3 Beitragende Faktoren/Beurteilung der Haltung


Die beitragenden Faktoren oder Haltungsauffälligkeiten können wichtige Ansätze für die Behandlung bieten; daher werden sie mit im Befund aufgenommen. Bei Bedarf können individuell Haltungstests durchgeführt werden. Wichtige Punkte bezüglich des Ellenbogens sind in ▶ Übersicht 5.3 aufgelistet.


Übersicht 5.3 Beitragende Faktoren





  • Arbeitsplatzsituation (Ergonomie)/Arbeitstätigkeit


  • PC-Arbeit, Arbeiten mit PC-Maus


  • Alltags- und Sportaktivitäten


  • Verhalten und Verständnis des Patienten bzgl. seiner Beschwerden sowie deren Ursache und Auslöser


  • HWS-/BWS-Position oder auffällige Untersuchungsbefunde


  • Muskuläre Defizite, allgemeine Fitness


5.3.4 Quick Check-Ellenbogenuntersuchung


Der Quick Check kann eine vollständige Untersuchung nicht ersetzen, doch er gibt eine erste Orientierung (◘ Tab. 5.4).



Tab. 5.4
Quick Check-Ellenbogenuntersuchung






















Struktur

Test

HWS

Spurling Test re/li (◘ Abb.​ 4.​12a)

Nervales System

Aktiver bilateraler ULTT 1 (◘ Abb.​ 4.​12b, jedoch ist das Handgelenk in Nullstellung)

Ellenbogen artikulär

Passive Flexion und Extension (◘ Abb. 5.1a, b)

Ellenbogen muskulär

Aktiver Faustschluss

Nach der Quick Check-Untersuchung kann man mittels der Informationen aus Anamnese, Inspektion und (erweiterter) Basisfunktionsprüfung meist schon eine vorläufige Haupthypothese aufstellen. Auf deren Grundlage können weitere Tests oder aber eine Probebehandlung durchgeführt werden. Das Behandlungsergebnis gibt dann weitere Hinweise, ob die Einschätzung korrekt war oder nicht.


Erstinterpretation der Untersuchungsergebnisse


In ◘ Abb. 5.5 ist ein Schema dargestellt, anhand dessen die Befundergebnisse interpretiert werden können. Der Befund, der zur Feststellung einer bestimmten Pathologie führt, ist in den entsprechenden Abschnitten ausführlich, mit den zusätzlich notwendigen Tests dargestellt.


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Abb. 5.5
Interpretationsschema Ellenbogen


5.4 Ausgewählte Ellenbogenpathologien


Die Pathologien des Ellenbogens werden in 5 Gruppen unterteilt (◘ Tab. 5.5). Nachfolgend werden die einzelnen Gruppen mit der typischen klinischen Präsentation, spezifischen Untersuchungen und Behandlungsmöglichkeiten dargestellt und die Zusammenhänge der Gruppen untereinander erläutert.



Tab. 5.5
Pathologien des Ellenbogenkomplexes
































Gruppe

Bereich

Definition

1

Pathologien der Kapsel, Bänder und Gelenkflächen

– Alle Strukturveränderungen, die zu einer passiven Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk führen, mit Ausnahme von Instabilitäten

2

Überlastungssyndrome

– Beschwerden am lateralen/medialen Ellenbogen (sog. lateraler/medialer Ellenbogenschmerz)

3

Pathologien des aktiven und passiven Halteapparats

– Alle Veränderungen, die zu einem Stabilitätsverlust im Ellenbogengelenk führen

4

Periphere Nervenkompressionssyndrome

– Nervenkompressionen im Ellenbogenbereich, auch in Kombination mit anderen Pathologien

5

Restgruppe einschl. Differenzialdiagnosen

– Alle Frakturen

– HWS-Syndrome

– Thoracic outlet-Kompressionssyndrom

– Tumoren u. Ä.


5.4.1 Pathologien der Kapsel, Bänder und Gelenkflächen (Bewegungseinschränkungen )



Ursachen


Bewegungseinschränkungen des Ellenbogens sind häufig anzutreffen. Begünstigend wirkt sich aus, dass die Gelenkflächen sehr kongruent sind, und dass somit bereits geringe Störungen zu relativ großen Einschränkungen führen können. Als Ursachen stehen im Vordergrund:





  • traumatische Ursachen, denen aufgrund der Häufigkeit ein besonderer Stellenwert zukommt,


  • aktivierte Arthrose,


  • Arthrose und


  • intraartikuläre Einklemmungssymptomatik.

Weitere Ursachen sind z. B. kongenitale Anomalitäten, Lähmungen oder Verbrennungen.

Die Ursachen für eine Bewegungseinschränkung am Ellenbogen werden grundsätzlich nach der Lokalisation klassifiziert (▶ Übersicht 5.4). Die Kombination von intra- und extraartikulären Ursachen kommt sehr häufig vor.


Übersicht 5.4 Ursachen für eine Bewegungseinschränkung am Ellenbogen





  • Intrinsische (intraartikuläre) Ursachen:





    • Deformitäten durch Arthrose, Rheuma, Frakturen usw.


    • Adhäsionen (Entzündungen, Rheuma)


    • Einklemmung von Weichteilen, Osteophyten, fibrösen Veränderungen


    • Einklemmung durch freie Gelenkkörper


  • Extrinsische (extraartikuläre) Ursachen:





    • Haut-, Unterhautgewebe (Narben, Kontrakturen)


    • Kapsel-Band-Kontrakturen


    • Muskelkontrakturen


    • Heterotope Ossifikation

Das Wiederherstellen des Bewegungsausmaßes ist eine besondere Herausforderung für Therapeut und Patient; es benötigt mehr noch als an anderen Gelenken Fingerspitzengefühl, Erfahrung und Geduld. Eine zu intensive Therapie kann schnell zu vermehrter Reizung und damit zu Schwellung, Bewegungseinschränkung und zunehmenden (Ruhe-)Schmerzen führen, eine zu vorsichtige Therapie kann dagegen keine Reaktion hervorrufen.

Praxistipp

Eine genaue Kontrolle des Behandlungsfortschritts vor und nach jeder Behandlung sowie ein detaillierter Therapeuten-Patienten-Austausch über die Schmerzentwicklung innerhalb der nächsten 24 h nach der Behandlung sind unerlässlich.


Bewegungseinschränkungen und deren klinische Präsentation



Artikuläre Einschränkungen

Artikuläre Bewegungseinschränkungen werden mittels passiver Bewegungstests identifiziert. Referenz ist/sind die nicht betroffene Seite oder altersentsprechende Normwerte.


Wichtig

Beurteilungskriterien sind:





  • messbares Bewegungsausmaß,


  • veränderter Bewegungswiderstand, der während der Bewegung früher ansteigt, und


  • verändertes Endgefühl in den letzten Bewegungsgraden.


Einschränkungen im Sinne eines Kapselmusters

Der klinische Befund eines Kapselmusters (▶ Übersicht 5.5) zeigt, dass eine entzündliche Reaktion der gesamten Gelenkkapsel vorliegt, die traumatischer, rheumatischer, diabetischer, idiopathischer, infektiöser oder iatrogener Genese sein. Auch nach längerer Ruhigstellung kann es durch eine zu forcierte anfängliche Mobilisation zu einer Kapselentzündung kommen.

Beim Ellenbogen werden vorwiegend posttraumatische Arthritiden, die sekundäre Arthrose bzw. die aktivierte Arthrose behandelt.


Übersicht 5.5 Kapselmuster der Gelenke des Ellenbogenkomplexes





  • Humeroulnargelenk:





    • Die passive Flexion ist stärker eingeschränkt als die passive Extension; das Verhältnis ist ca. 2 : 1 bis 3 : 1; Pro- und Supination bleiben unbeeinträchtigt.


  • PRUG:





    • Endgradige Pro- und Supination sind schmerzhaft; es besteht ein verändertes Endgefühl, das Gelenk ist jedoch angulär nicht eingeschränkt.

Je nach Ursache für die Gelenkentzündung (s. oben) bedarf es verschiedener Behandlungstechniken und -ansätze, und auch die Prognose kann sehr unterschiedlich sein. Daher ist es sinnvoll, den Patienten darüber genau aufzuklären und realistische Therapieziele zu vereinbaren.

Die häufigsten Ursachen für Bewegungseinschränkungen im Kapselmuster sind





  • (aktivierte) Arthrose,


  • Kapsulitis und


  • Immobilisation.

Nachfolgend werden Diagnostik und Therapie aufgeführt.


Arthrose

Die Arthrose – die chronisch degenerative Gelenkveränderung mit progressiver Destruktion der Gelenkflächen – kann primär entstehen, häufig jedoch sekundär als Spätkomplikation nach/durch





  • Traumata wie z. B. Fraktur,


  • Osteochondrosis dissecans,


  • Bandruptur mit resultierender Instabilität,


  • rheumatischen Erkrankungen oder


  • zu starke Belastung nach einer Immobilisationsphase.

Eine Arthrose, die grundsätzlich nicht entzündlich ist, zeigt sich klinisch in einem KM, wobei im fortgeschrittenen Stadium das Endgefühl in beide Richtungen zwar knochenhart, meist jedoch nicht schmerzhaft ist. Die Patienten sind i. d. R. beschwerdefrei. Probleme treten vor allem aufgrund von Überbelastung oder einem leichten Trauma auf, wodurch die Arthrose aktiviert wird, d. h., in eine Entzündung übergeht. Komplikationen bei einer Arthrose sind:





  • freie Gelenkkörper,


  • Kompressionsneuropathien durch degenerative Veränderungen oder Muskelhypertonus,


  • Einklemmungssymptomatik durch Osteophytenbildung oder


  • Kontrakturen der Kapsel, Bänder und/oder Muskulatur.


Kapsulitis

Im Gegensatz zur Arthrose tendiert das KM bei einer Kapsulitis eher zu einem Verhältnis von 2 : 1; bei starker Entzündung kann es auch zu einer mäßigen Einschränkung der Pro- und Supination kommen. Die Schmerzen beginnen häufig am medialen Ellenbogen, verbunden mit einer Gelenkschwellung, und können sich im weiteren Verlauf diffus im Gelenk ausbreiten. Besteht die Kapsulitis über längere Zeit, können als Komplikationen auftreten:





  • intraartikuläre Adhäsionen,


  • N. ulnaris-Reizungen durch die mediale Gelenkschwellung,


  • Einklemmungssymptomatik durch hypertrophe Weichteile oder Kapselanteile oder


  • Kontrakturen der Kapsel, Bänder und/oder Muskulatur.


Immobilisation

Wird der Ellenbogen aufgrund einer vorausgegangenen Traumatisierung oder postoperativ ruhiggestellt, kommt es in nahezu allen Geweben zu Reaktionen bzw. Anpassungserscheinungen:





  • Einschränkungen durch kurzzeitige Immobilisation lassen sich in den meisten Fällen durch sofortige Physiotherapie gut wiederherstellen.


  • Bei lang andauernder Ruhigstellung oder bei Gelenken, die aufgrund einer heftigen Entzündung und Schwellung ruhiggestellt werden, ist die Rehabilitation oft schwerer, und ein befriedigendes Ergebnis ist nur mühsam zu erreichen. Nachts kann das Tragen von Streckschienen und tagsüber das Üben in Mobilisationsschienen notwendig werden.


Bewegungseinschränkungen im Sinne eines nicht-kapsulären Musters

Ursachen für Bewegungseinschränkungen im Sinne eines nicht-kapsulären Musters können umschriebene Affektionen des Kapsel-Band-Apparats, bedingt durch ein einmaliges Trauma oder wiederholte Mikrotraumata, Frakturen oder Instabilitäten sein.


Frakturen

Vor allem bei Frakturen mit Gelenkbeteiligung – unabhängig, ob konservativ oder operativ versorgt – kann es erhebliche Probleme bei der Wiederherstellung des vollständigen Bewegungsausmaßes geben.


Heterotope Ossifikation (HO)

Die HO (auch periartikuläre Ossifikation) ist eine krankhafte Knochenneubildung in der Nähe oder innerhalb der Gelenke, die zu Schmerzen, Entzündungen und weiterer Bewegungseinschränkung führen können. Postoperativ wird zur Prophylaxe z. B. die Gabe von NSAID empfohlen. Auch die Myositis ossificans, die Knochenneubildung im Muskel, kann als heterotope Ossifikation bezeichnet werden, da die Verknöcherung vom inter- und intramuskulären Bindegewebe ausgeht. Weiterhin können HO bei neurologischen Erkrankungen auftreten, ohne dass ein Trauma vorausgegangen ist. Eine zu aggressiv durchgeführte Physiotherapie kann ebenfalls die Entstehung heterotoper Ossifikationen begünstigen.


Einklemmungssymptomatik am Ellenbogen

Eine Einklemmungssymptomatik präsentiert sich klinisch different, obwohl diese ebenfalls zu einer Einschränkung im Sinne eines nicht-kapsulären Musters führt. Ursächlich für eine Einklemmungssymptomatik sind:





  • knöcherne oder knorpelige freie Gelenkkörper (Corpus librum, CL), die durch Arthrose, nach artikulären Frakturen, bei Osteochondrosis dissecans oder Osteochondromatose entstehen können (Strobel et al. 2001), oder


  • eine Einklemmung von Weichteilen zwischen zwei Gelenkpartnern, bedingt durch ein hypertrophes Corpus adiposum, eine hypertrophe Plica oder hypertrophe Kapselanteile; in den meisten Fällen im Bereich des humeroradialen Gelenks (Geyer u. Stöhr 2001).

Klinisch präsentiert sich die Einklemmung/der freie Gelenkkörper durch die Trias von:





  • Blockierungen,


  • verändertem Endgefühl in Extension/Flexion und


  • plötzlich einschießendem Schmerz.

Der Schmerz tritt meist am lateralen Ellenbogen, wobei der Gelenkkörper dann dorsal im Humeroradialgelenk sitzt (◘ Abb. 5.6a). Die endgradige Extension ist eingeschränkt, und das Endgefühl ist „gummiartig“ verändert. Die Dorsalextension des Handgelenks gegen Widerstand kann schmerzhaft sein. Diese Symptomatik kann leicht mit einer Epicondyalgia lateralis verwechselt werden. Liegt der Gelenkkörper ventral im Humeroulnarglenk (◘ Abb. 5.6b), resultiert eine Flexionseinschränkung mit einem harten Endgefühl. Kann die Problematik mittels konservativer Therapie nicht beseitigt werden, oder kommt es zu häufigen Rezidiven mit entsprechender Gelenkreizung, muss der Gelenkkörper operativ entfernt werden.


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Abb. 5.6a,
b Freier Gelenkkörper im Ellenbogengelenk, a dorsal und b ventral (aus Kromer 2004)

Klemmen Weichteile zwischen Radius und Capitulum humeri ein, die durch Überbelastung, Trauma oder Instabilität pathologisch verändert sind, bestehen vorwiegend dorsolaterale Schmerzen bei endgradiger Streckung. Auch diese Situation wird häufig mit einer Epicondyalgia lateralis verwechselt. Im Gegensatz zu einem freien Gelenkkörper ist die Einklemmung reproduzierbar.


Muskuläre Einschränkungen

Ein weich-elastisches Endgefühl sowie ein subjektives Gefühl der Dehnung können auf eventuelle muskulär bedingte Bewegungseinschränkungen hinweisen. Über Hold-Relax-Techniken lässt sich das Bewegungsausmaß i. d. R. erweitern, was gleichzeitig die muskuläre Einschränkung bestätigt.


Neurale Einschränkungen

Neurale Strukturen können ebenfalls die aktive oder passive Beweglichkeit einschränken. Eine Beteiligung des neuralen Systems im Ellenbogenbereich kann vermutet werden, wenn





  • Symptome im Ellenbogenbereich über zusätzliche Bewegungen der HWS und/oder des Schultergürtels verstärkt oder gemindert werden können, oder


  • die Beschwerden nicht lokal begrenzt sind, sondern nach distal oder proximal ausstrahlen.


Spezifische/zusätzliche Untersuchung


Wird in der Basisfunktionsprüfung eine passive Bewegungseinschränkung identifiziert, werden weitere translatorische Tests in der eingeschränkten Position durchgeführt, woraufhin das Gelenk befundorientiert mobilisiert werden kann. Die Tests gleichen im Wesentlichen den translatorischen Mobilisationstechniken (s. unten). Sollte der Test von der Mobilisationstechnik abweichen, wird dies bei den Mobilisationstechniken differenziert beschrieben. Vor einer Gelenkmobilisation können die das Gelenk umgebenden Strukturen über entsprechende Techniken vorbereitet werden. Abhängig davon, ob die Einschränkung überwiegend reflektorischer oder struktureller Natur ist, wird mit dynamisch-funktionellen oder translatorischen Techniken mobilisiert.


Therapie: Allgemeine Vorgehensweise, Evidenzempfehlung


Im ersten Schritt wird der Patient über die Befundergebnisse und die daraus resultierenden Behandlungsmaßnahmen aufgeklärt und beraten. Die Aufklärung sollte Informationen über die Pathologie, deren Entstehung, Prognose, Konsequenzen für den Alltag sowie die physiotherapeutische Behandlung enthalten. Neben den physiotherapeutischen Möglichkeiten kann der Patient über Selbstbehandlungsmaßnahmen aufgeklärt werden. Diese Informationen können problemlos schriftlich, z. B. in Form einer Broschüre, vermittelt werden. Ferner wird die Aufgabenverteilung zwischen Therapeut und Patient besprochen, die notwendig ist, um die anvisierten Ziele zu erreichen.


Wichtig

Um eine befriedigende Alltagsfunktion zu erreichen, sollte ein Extensions- und Flexionsausmaß von mindestens 0–30–130° erreicht werden (Morrey 2000).

Unterstützend zur Mobilisation können Mobilisations- und Quengelschienen benutzt werden (King u. Faber 2000; Bruno et al. 2002). Der Patient muss für den Alltag entsprechend instruiert werden, um Provokationen zu vermeiden, die sich negativ auf die den Therapiefortschritt auswirken. Bei Schmerzen können sowohl physikalische Maßnahmen als auch schmerzlindernde Mobilisationen zum Einsatz kommen. Sollten allerdings Ruheschmerzen bestehen und/oder die Beweglichkeit durch starke Schmerzen eingeschränkt sein (dominant entzündliches Muster mit reflektorischer Bewegungseinschränkung), ist eine medikamentöse Behandlung indiziert. Hierzu ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt notwendig. Mit zunehmender Beweglichkeit und Reizfreiheit ist eine zyklische Ausdauerbelastung ohne Impuls sowie eine progressive Kräftigung mit dem Ziel, die Belastbarkeit zu steigern, indiziert.

Grundsätzlich sollten physikalische Maßnahmen wie z. B. Kälte- oder Wärmebehandlungen, Lasertherapie, Elektrotherapie oder Ultraschall individuell abgewogen werden; sie sollten weder standardmäßig noch als alleinige Hauptintervention appliziert werden.


Therapie: Spezifische Behandlungsvorschläge



Mobilisation des Ellenbogens

Die folgenden Mobilisationstechniken können sowohl zur Schmerzbehandlung als auch zur Bewegungserweiterung eingesetzt werden:





  • Bei dominant schmerzbedingten Einschränkungen eignen sich intermittierend ausgeführte dynamisch-funktionelle Mobilisationen und translatorische Techniken in den Stufen 1–2,


  • bei dominant strukturellen Einschränkungen eignen sich translatorische Techniken in Stufe 3.


Weichteilbehandlung der Ellenbogenbeuger (◘ Abb. 5.7a)



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Abb. 5.7a–m
Mobilisation des Ellenbogens. a Weichteilbehandlung der Ellenbogenbeuger, b Traktionsmobilisation im HUG bei eingeschränkter Flexion, c Traktionsmobilisation im HUG bei eingeschränkter Extension, d Dorsalgleiten im HRG bei (endgradig) eingeschränkter Extension, e Ventralgleiten im HUG bei eingeschränkter Flexion; f, g mediales bzw. laterales Gleiten im HUG bei endgradig eingeschränkter Extension bzw. Flexion; h–j DFM in Ellenbogenflexion; k, l DFM in Ellenbogenextension, m Manipulation des Ellenbogens mit Pronation bei Einklemmungssymptomatik

Speziell bei einer Extensionseinschränkung kann es sinnvoll sein, die Weichteile auf der Ventralseite vorzubereiten und die Durchblutung allgemein zu fördern. Hierzu bewegt der Therapeut den Unterarm im möglichen Bewegungsausmaß von Beugung in Streckung; gleichzeitig gibt er mit seinem Handballen sanften Druck auf die ventralen Strukturen. Diese Technik kann 1–2 Minuten durchgeführt werden.


Traktionsmobilisation im HUG bei eingeschränkter Flexion (◘ Abb. 5.7b)

Das Humeroulnargelenk wird bis zur Einschränkung in Flexion bewegt. Dann werden Ober- und Unterarm vom Therapeuten fixiert. Die Traktion erfolgt mit einem Gurt, der proximal um den Unterarm des Patienten liegt, wodurch diese auch in Stufe 3 länger und mühelos gehalten werden kann.


Traktionsmobilisation im HUG bei eingeschränkter Extension (◘ Abb. 5.7c)

Der Patient liegt in Seitlage, um so die Schulter zu fixieren. Der Ellenbogen wird in maximal mögliche Extension bewegt. Der distale Unterarm ist auf einem Sandsack gelagert und wird distal gestützt, während über einen Gurt (und den Fuß des Therapeuten) eine Traktion ausgeführt wird.


Dorsalgleiten im HRG bei (endgradig) eingeschränkter Extension (◘ Abb. 5.7d)

Diese Mobilisation Humeroradialgelenk wird ausgeführt wie die Traktion im HUG bei eingeschränkter Extension, nur setzt dann der Therapeut den Kleinfingerballen von radial her kommend auf den Radiuskopf und mobilisiert diesen nach dorsal.


Traktionsmobilisation im HRG bei eingeschränkter Extension

Diese Technik gleicht dem Test für das HRG in der Basisfunktionsprüfung (◘ Abb. 5.4b).


Ventralgleiten im HUG bei eingeschränkter Flexion (◘ Abb. 5.7e)

Nimmt man dieselbe Referenzfläche wie für die Traktion im HUG, kann über Längszug an der Ulna das Gleiten nach ventral mobilisiert werden. Ausgeführt wird das Ventralgleiten am Punkt der Flexionseinschränkung.


Mediales bzw. laterales Gleiten im HUG bei endgradig eingeschränkter Extension bzw. Flexion (◘ Abb. 5.7f, g)

Um die Mobilität in endgradiger Flexion, Extension (oder Pronation) zu verbessern, kann die Ulna gegenüber dem Humerus in diesen Positionen nach medial oder lateral bewegt werden. Der Patient liegt in Seitlage.

Für das Lateralgleiten ist der distale Oberarm auf einem Keil oder Sandsack gelagert, der Patient hält seinen Arm in der Flexionsposition. Die Ulna wird dann mit dem Handballen nach lateral geschoben.

Für das Medialgleiten wird der proximale Unterarm mit dem Radiusköpfchen auf einem Keil gelagert, der Arm befindet sich in maximal möglicher Extension, Nun wird der distale Oberarm über den Epicondylus medialis nach lateral geschoben, was zu einem Gleiten der Ulna nach medial führt.


DFM in Ellenbogenflexion (◘ Abb. 5.7h–j)

Die dynamische Mobilisation in Flexion kann auf zwei Arten durchgeführt werden:





  • In ◘ Abb. 5.7h, i appliziert der Therapeut während der Flexionsbewegung senkrechten Druck auf die proximale Ulna. Dadurch kommt es zu einem vermehrten Gleiten der ventralen ulnaren Gelenkfläche.


  • Die passive Flexionsbewegung wird unter Zug an der Ulna ausgeführt (◘ Abb. 5.7j). Dadurch wird der zur Flexion gehörige Gleitanteil im Gelenk erhöht.


DFM in Ellenbogenextension (◘ Abb. 5.7k, l)

Der Unterarm wird aus der Flexionsstellung dynamisch in Extension bewegt. Dabei übt die mobilisierende Hand des Therapeuten während der gesamten Bewegung gleichmäßigen und moderaten Druck auf den proximalen Unterarm aus.


Manipulation des Ellenbogens mit Pro-/Supination bei Einklemmungssymptomatik (◘ Abb. 5.7m)

Bei dieser Diagnose ist die Manipulation des Ellenbogens indiziert. Ziel ist es, den Gelenkkörper an eine Stelle zu verlagern, wo er die Gelenkmechanik nicht mehr stört. Die Manipulation des Ellenbogens kann in Supination oder Pronation (◘ Abb. 5.7m) durchgeführt werden. Für ein erfolgreiches Gelingen sind verschiedene Komponenten notwendig:





  • Traktion,


  • Rotation und


  • Bewegung von Flexion in Extension unter Traktion.

Der Patient sitzt. Der Oberarm des Patienten wird von einem Helfer auf der Bank fixiert, zusätzlich wird der Rumpf gegen die Traktion fixiert. Der Therapeut umfasst den distalen Radius. Bei der Manipulation wird der Ellenbogen unter stetiger Traktion von Flexion in Extension und gleichzeitig von Supination in Pronation (bzw. von Pronation in Supination) bewegt. Die Extensionsbewegung endet vor dem Einschränkungsstopp!

Diese Technik wird sowohl bei einer Flexions- als auch bei einer Extensionseinschränkung verwendet. Befindet sich der freie Gelenkkörper im Humeroulnargelenk, sind die Erfolgsaussichten eher gering, da hier die für den Effekt der Manipulation wichtige Komponente der Rotation (Pro- bzw. Supination) fehlt.


Zusätzliche physikalische Maßnahmen

Der Einsatz passiv-technischer Behandlungsmaßnahmen bei Bewegungseinschränkungen – z. B. von Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall – sollte individuell abgewogen werden. Diese Anwendungen können bei schmerzbetonten Bildern zum Einsatz kommen, von einem Standardeinsatz ist grundsätzlich abzuraten.


5.4.2 Überlastungssyndrome am Ellenbogen


Überlastungssyndrome am Ellenbogen spielen sich häufig an der Sehneninsertion oder der Sehne selbst ab. Obwohl Überlastungen grundsätzlich an allen Sehnen und Sehneninsertionen vorkommen können, ist der Ellenbogen vor allem am lateralen und medialen Epikondylus betroffen. Diese Symptomatik wird landläufig als „Tennisellenbogen/Tennisarm“ bzw. „Golferellenbogen/Golferarm“ bezeichnet. Aufgrund der anatomisch engen Beziehungen zwischen Sehne, Kapsel-Band-Strukturen, Nerven und Faszien findet man in der Literatur vermehrt unspezifische Begriffe wie „lateraler bzw. medialer Ellenbogenschmerz“.

In diesem Abschnitt werden die Überlastungssyndrome im klassischen Sinne, d. h. im Sinne einer Insertionstendopathie /Tendopathie beschrieben. Als Erstes werden die Faktoren eruiert, die zu den jeweiligen Bildern beitragen bzw. sie begünstigen können, dann werden alternative Ursachen, die ähnliche Symptome produzieren können, genannt.


Wichtig

Da im Ellenbogenbereich überwiegend direkte Sehnenansätze – d. h. Ansätze, bei denen die Sehnen auf direktem Weg über Sharpey-Fasern in den Knochen eindringen und sich mit dem Knochenkollagen verflechten – betroffen sind, kann es aufgrund der z. T. nur mäßig durchbluteten Ansatzzonen zu einer verzögerten Heilung kommen.

Der Schweregrad einer (Insertions-)Tendopathie lässt sich klinisch in 6 Stadien einteilen (◘ Tab. 5.6). Diese geben einen ersten Anhaltspunkt, wie stark die Sehne betroffen ist (Winkel et al. 1985).



Tab. 5.6
Klinische Stadien einer (Insertions-)Tendopathie




























Stadium

Symptomatik

1

Anhaltender Schmerz nach stärkerer Belastung. Der Widerstandstest ist leicht schmerzhaft, evtl. Entspannungsschmerz (Loslassschmerz)

2

Mäßiger Schmerz zu Beginn/nach Belastung, der noch längere Zeit bestehen bleibt. Der Widerstandstest ist schmerzhaft, evtl. auch die Dehnung

3

Schmerz zu Beginn/während/nach Belastung, der noch tagelang in dumpfer, ziehender Form anhält. Die Leistungen des Patienten sind jedoch nicht beeinflusst

4

Die Schmerzen sind während der Belastung so stark, dass die Leistungsfähigkeit gemindert ist

5

Anhaltende Schmerzen, auch in Ruhe (evtl. liegt eine Teilruptur vor)

6

Die Sehne ist gerissen. Die Ruptur kann auch spontan, ohne Beschwerden auftreten


Epicondyalgia lateralis humeri (Tennisellenbogen)


Im Pschyrembel (1994) wird die Epicondylitis lateralis humeri wie folgt definiert.

Epicondylitis lateralis humeri: entzündliche oder degenerative Veränderungen am Epicondylus radialis bei funktioneller Überbeanspruchung in Beruf und Sport; meist als Epicondylitis humeri radialis (sog. Tennisellenbogen) mit oft heftigem Druckschmerz an der gemeinsamen Ursprungszone des M. extensor carpi radialis und des M. extensor digitorum communis.

Inzwischen wird die Bezeichnung „Epicondylitis lateralis humeri“ zunehmend häufiger durch Begriffe wie „Epicondyalgie“, „Tendonitis“, „Tendinose“ oder „Tendinopathie“ ersetzt, da Untersuchungen zeigen konnten, dass es sich bei diesem Bild eher um einen degenerativen Prozess handelt als um eine klassische Entzündungsreaktion. Inzwischen scheint sich der Begriff „Tendinopathie“ durchzusetzen (Stasinopoulos u. Johnson 2006). Der o. g. Begriff „lateraler Ellenbogenschmerz“ ist allerdings im Hinterkopf zu behalten, da er eine offenere Sichtweise auf die Symptomatik ermöglicht.

Die Epicondyalgia lateralis humeri (EL) gehört mit einer Prävalenz von 3–7/1000 Einwohnern zu den häufig auftretenden Beschwerden an der oberen Extremität. Sie stellt insgesamt eine therapeutische Herausforderung dar, was sich u. a. daran erkennen lässt, dass sich die medizinische Forschung auch nach über 70 Jahren noch intensiv und vielschichtig mit diesem Thema auseinandersetzt und die bisherigen Ergebnisse noch keinen befriedigenden therapeutischen Konsens zulassen.

Bei der EL handelt es sich um eine schmerzhafte, lokale Reaktion des Gewebes im Ansatzbereich der Handgelenk- und Fingerextensoren, die aufgrund ihrer hohen Schmerzintensität in den meisten Fällen mit einer (erheblichen) Funktionseinschränkung verbunden ist. Typischerweise sind Bewegungen wie





  • Strecken von Handgelenk oder Fingern gegen Widerstand,


  • Greifaktivitäten der Hand oder


  • Heben oder Tragen von Gegenständen

im Bereich des lateralen Kondylus schmerzhaft.

Als auslösende Faktoren scheinen gehäuft Tätigkeiten wie schweres Heben, kräftige oder repetitive sportliche oder berufliche Tätigkeiten eine Rolle zu spielen. Ein gehäuftes Auftreten ist bei beiden Geschlechtern im Alter von ca. 40–55 Jahren zu beobachten (Fan et al. 2009; Rahman et al. 2006; van Rijn et al. 2009).

Etwa 50 % aller Tennisspieler entwickeln im Laufe ihrer Karriere Schmerzen am Ellenbogen, davon ca. 80 % auf der lateralen Seite. In vielen Fällen kann über eine Modifikation der Spieltechnik oder des Materials bzw. über ein Training der reaktiven Fähigkeiten der Handgelenkmuskulatur eine Besserung erzielt werden. Allerdings macht diese Gruppe nur einen geringen Prozentsatz der in der Bevölkerung betroffenen Personen aus.

Neben vielen unterschiedlichen Behandlungsansätzen wird in der Literatur interessanterweise ein natürlicher Verlauf mit Ausheilung in 80–90 % der Fälle innerhalb von 1–2 Jahren beschrieben. Voraussetzung ist allerdings, dass keine Intervention stattfindet (Cyriax 1982). Leider ist dieser Verlauf nicht genügend untermauert, als dass man sich darauf verlassen sollte (De Smedt et al. 2007; Labelle et al. 1992).


Ätiologie

Coombes et al. (2009) differenzieren das Bild der EL näher und unterscheiden





  • lokale morphologische Prozesse im Bereich des Epikondylus,


  • Veränderungen im Schmerzmechanismus und


  • motorisch-koordinative Änderungen.

Obwohl diese Beschreibung meines Erachtens unvollständig ist, bietet sie doch eine vernünftige Grundlage, um das lokale Geschehen in eine systematische Form zu bringen.


Morphologisches Geschehen im Bereich des Epicondylus lateralis


Wichtig

Bei der Epicondyalgia lateralis humeri handelt es sich in erster Linie um eine (Insertions-)Tendopathie des M. extensor carpi radialis brevis (ECRB) und des M. extensor digitorum communis (EDC).

Die Insertionen des M. extensor carpi radialis brevis (ECRB) und des M. extensor digitorum communis (EDC) liegen jeweils auf einem kleinen Plateau am lateralen Epikondylus und können dort gut palpiert werden (Stoeckart et al. 1989) (◘ Abb. 5.8). Anatomisch sind sie über den proximalen Teil der Facies antebrachii, einen gemeinsamen Sehnenteil und das Septum intermusculare verbunden (Greenbaum et al. 1999; Stoeckart et al. 1989). Diese Verbindung führt z. B. dazu, dass sich die Kontraktionskräfte des EDC auf die ECRB-Insertion übertragen. Stoeckart et al. (1989) stellten zudem die Hypothese auf, dass eine schlecht entwickelte Facies antebrachii oder ein schlecht entwickelter M. triceps brachii sich dahingehend auswirken, dass die Zugkräfte auf den ECRB-Ansatz zunehmen und infolge zu einer Überlastung beitragen. Ebenso können die beiden hypovaskulären Zonen, die im Insertionsgebiet des ECRB und 2–3 cm distal davon im tiefen Teil der gemeinsamen Extensorensehne nachweisbar sind, zu einer Überlastung beitragen (Bales et al. 2007).


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Abb. 5.8
Insertionen des M. extensor carpi radialis brevis (ECRB) und des M. extensor digitorum communis (EDC)

Allerdings können neben diesen beiden Insertionsstellen auch andere Stellen betroffen sein. Cyriax (1982) unterschied 5 Affektionsstellen (◘ Abb. 5.8, ◘ Tab. 5.7). Typ 2 und Typ 5 kommen am häufigsten vor, die anderen 3 Typen dagegen eher selten. Im praktischen Vorgehen ist es bei Verdacht auf einen Tennisarm sinnvoll, diese Affektionsstellen auf Schmerzhaftigkeit hin zu palpieren, um herauszufinden, welche Insertion bzw. Sehne betroffen ist. Sollte der typische Schmerz nicht mindestens an einer Stelle reproduziert werden können, darf bezweifelt werden, ob es sich tatsächlich um einen klassischen Tennisellenbogen in Form einer (Insertions-)Tendopathie handelt.



Tab. 5.7
Affektionsstellen bei der Epicondyalgia lateralis humeri

























Typ

Beschreibung

1

Insertionstendopathie des M. extensor carpi radialis longus

2

Insertionstendopathie des M. extensor carpi radialis brevis

3

Affektion der Sehne des M. extensor carpi radialis brevis

4

Affektion im Muskelbauch des M. extensor carpi radialis brevis

5

Insertionstendopathie des M. extensor digitorum communis

Diskutiert wird auch die Möglichkeit einer Insertionstendopathie des M. anconeus am Epicondylus lateralis, bedingt durch eine artikuläre Einschränkung der Ulna gegenüber dem Humerus in Abduktionsrichtung.

Ein weiterer Aspekt, der zur Symptomatik des EL beitragen bzw. eine EL-ähnliche Symptomatik provozieren kann, ist die mechanische Kompression der versorgenden Nerven. Der ECRB wird anatomisch variabel vom N. radialis (11 %), vom posterioren Ast des N. radialis (PBRN) (50 %) oder vom Ramus superficialis des N. radialis (35 %) versorgt. In ca. 40 % aller Fälle besteht ein tendinöser oder muskulärer Bogen um den PBRN, der vor allem bei wiederholten Pro- und Supinationsbewegungen komprimiert werden kann (Nayak et al. 2010).


Schmerzmechanismen, Entzündungsphasen und Wundheilung

Im Gegensatz zu gesunden Probanden lässt sich bei Patienten mit EL im schmerzhaften Gebiet ein vaskuloneuraler Einwuchs nachweisen, der wahrscheinlich einen Teil des Reparationsversuchs darstellt und zum Teil auch für die Schmerzen verantwortlich ist (Zeisig et al. 2006). Mit dem Einwuchs neuer Blutgefäße kommt es neben der regulären Innervation dieses Gebiets zu

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Sep 25, 2016 | Posted by in PHYSICAL MEDICINE & REHABILITATION | Comments Off on Ellenbogenkomplex

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